Möglichkeiten bei unerfülltem Kinderwunsch - Prozess im Überblick

Autorinnen: Birgit Mayer-Lewis, Stephanie Weiser und Nathalie Schrodi,

 

Von dem Wunsch nach einem Kind bis zum Eintritt einer Schwangerschaft können mehrere Jahre vergehen. Die Grafik zum "Prozess Kinderwunsch" gibt einen anschaulichen Überblick über die einzelnen Schritte von der Planung zur Ursachenfindung über Behandlungsmöglichkeiten und weitere Lebenswege bei unerfülltem Kinderwunsch. Hier werden die verschiedenen Maßnahmen erläutert.


Planung der Familiengründung

Versuche der Familiengründung ohne Eintritt einer Schwangerschaft

Viele Paare haben folgende Schritte schon hinter sich, bevor sie sich um medizinische Hilfe zur Empfängnis bemühen: Sie haben das Verhütungsmittel abgesetzt, auch grundlegende fördernde Verhaltensweisen wie ausgewogene Ernäherung, körperliche Aktivität und ausreichender Schlaf wurden berücksichtigt. Dennoch hat der wiederholte Geschlechtsverkehr an fruchtbaren Tagen nicht zu einer Schwangerschaft geführt.

 

Medizinische Untersuchungen und Unterstützungsmaßnahmen

Die Fruchtbarkeitsstörungen werden nach eingehender Untersuchung beider Partner durch entsprechende Fachärztinnen und Fachärzte diagnostiziert. Die Gynäkologie kann organische oder hormonelle Ursachen bei der Frau ergründen, die Urologie bzw. Andrologie (medizinisches Fachgebiet Männergesundheit) klären analog mögliche Gründe für die ausbleibende Befruchtung beim Mann ab. Kinderwunschzentren sind zentral organisierte Netzwerke mit Experten aus verschiedenen Disziplinen, die zu Fruchtbarkeit und Fortpflanungs-Medizin beraten. Die Humangenetik bietet Verfahren zur Diagnositk bei beiden Partnern und Beratung zu Therapiemöglichkeiten, inklusive der möglichen Risiken für Mutter und Kind sowie zu den Erfolgsaussichten der Behandlung (Arndt 2021, StMAS Bayern o.J.)


Ursachenfindung

Es gibt eine Vielzahl von möglichen Ursachen, warum eine Frau nicht schwanger wird.

Beim Mann können es eingeschränkte Spermienqualität (betreffend die Anzahl oder Beweglichkeit bzw. eine Formveränderung) oder hormonelle Ursachen sein.

 

Bei Frauen können ebenfalls Störungen des Hormonhaushalts (z.B. Schilddrüsenfunktion), eine Endometriose-Erkrankung, Entzündungen oder eine infektionsbedingte Sterilität (z.B. Clamydieninfektion) die Fruchtbarkeit einschränken.

 

Manchmal ist es auch eine Unverträglichkeit zwischen den Geschlechtspartnern, welche die Schwangerschaft verhindert: etwa eine Abwehrreaktion des Immunsystems oder Störungen beim Eindringen des Spermas in die Eizelle. In einigen Fällen ist die Ursache nicht zu diagnostizieren (idiopathische Infertilität).


Behandlungsmöglichkeiten

Methoden der Reproduktionsmedizin

 

2020 wurden allein in Deutschland über 110.000 Behandlungszyklen im Rahmen der Reproduktionsmedizin durchgeführt (DIR, 2021). Bei vielen Frauen, Männern und Paaren kann ein Kinderwunsch mit reproduktionsmedizinischer Assistenz erfüllt werden. Seit 1997 ist die Anzahl der Kinder, die mit Hilfe der Reproduktionsmedizin geboren wurden, von 6.577 auf 21.588 im Jahr 2019 gestiegen (DIR, 2021).

 

Befruchtung innerhalb des weiblichen Körpers:

  • Zyklusoptimierung: Der Zyklus wird mit Hinweis auf günstigsten Zeitpunkt für Geschlechtsverkehr kontrolliert.
  • Hormontherapie: Der Zyklus wird durch Gabe von Hormonen unterstützt/angeregt.
  • Intrauterine Insemination (IUI): Das aufbereitete Sperma wird in die Gebärmutter injiziert.
  • Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist die häufigste Methode. Dabei werden - nach erfolgter Hormonstimulation - Eizellen der Frau entnommen und ausgewähltes Sperma in die Eizelle injiziert. Nach dem Bebrüten werden 1-3 Embryonen in die Gebärmutter eingesetzt.
  • Intratubarer Gametentransfer (GIFT): Nach einer Hormontherapie und Entnahme der Eizellen werden diese und aufbereitetes Sperma in den Eileiter gespritzt. Dieses Verfahren wird heute nur sehr selten angewendet, da es keine höhere Erfolgschance als die IVF (s.u.) verspricht und die Gefahr einer Eileiterschwangerschaft erhöht.

Spermien können gegebenenfalls in unterschiedlichen Verfahren gewonnen werden:

  •  Bei der Testikulären Spermienextraktion (TESE) werden Spermien aus dem Hoden entnommen.
  • Bei der Mikrochirurgischen epididymalen Spermien-Aspiration (MESA) entnimmt man Spermien aus dem Nebenhoden

Befruchtung außerhalb des weiblichen Körpers:

  • In-Vitro-Fertilisation (IVF): Nach der Hormonstimulation werden Eizellen entnommen. Diese werden in der Petrischale mit Spermien verschmolzen und bebrütet. 1-3 Embryonen werden in die Gebärmutter eingesetzt.
  • Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Nach Hormonstimulation und Entnahme von Eizellen wird ausgewähltes Sperma in die Eizellen injiziert. Die befruchteten Eizellen werden bebrütet, 1-3 Embryonen werden in die Gebärmutter eingesetzt.
  • Kryokonservierung und -transfer: Einfrieren von eigenen Eizellen, Spermien oder Embryonen für spätere Versuche
  • In-Vitro-Maturation (IVM): Unreife Eizellen werden entnommen und nach dem Heranreifen in der Petrischale, mit dem ICSI-Verfahren (s.o.) in die Gebärmutter eingesetzt.

Methoden mit Fremdgameten-Spende:

Wenn die Gameten eines /einer oder beider Partner*innen nicht für die Fortpflanzung infrage kommen, ist eine Schwangerschaft mit Fremdgameten möglich. Diese kann über eine Samenspende (mit den oben beschriebenen verschiedenen Verfahren), eine Eizellspende oder einem Embryonenspende erfolgen, wobei die beiden letzteren Verfahren in Deutschland nicht erlaubt sind. (Arndt, 2021; Ewert, 2021). Auch Leihmutterschaft ist in Deutschland verboten.

Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, die vom Bundesgesundheits-ministerium auch zur Klärung von Fragen zu Eizellspende und Leihmutterschaft eingesetzt wurde, hat im April 2024 eine gesetzliche Regelung empfohlen: "Die Begründung, auf die der Gesetzgeber 1990 das Verbot Eizellspende gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG gestützt hat, insbesondere das Ziel einer Vermeidung einer gespalteten Mutterschaft, muss heute als überholt und nicht mehr überzeugend gelten. Eine Legalisierung der Eizellspende ist zulässig, sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die insbesondere den not-wendigen Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet", heißt es dort. Allerdings wird dies nur unter bestimmten Bedingungen befürwortet. (Kom_rSF, 2024).

Emotionale Belastungen und psychosoziale Beratung

Sowohl die Kinderlosigkeit an sich als auch die Phase der medizinischen Behandlung werden von vielen Paaren bzw. Frauen als extreme psychische Belastung erlebt. Während erfolgloser Behandlungszyklen nimmt diese naturgemäß weiter zu. Der psychische Stress in der Wartezeit nach Embryotransfer ist für viele Frauen belastender als alle medizinischen Maßnahmen der Invitro-Fertilisations (IvF)-Behandlung. (BKiD 2005)


Finanzielle Belastung

Die Kinderwunschbehandlung stellt für die Betroffenen eine hohe finanzielle Belastung dar. 

Geschätzte Kosten:

  • Hormonelle Stimulation: 900 Euro (+ 700 Euro Medikamentenkosten)
  • IVF: ca. 3.000 Euro
  • ICSI: ca. 3.600 Euro
  • TESE / MESA: ca. 800 Euro
  • Kryotransfer: Transfer ca. 800 Euro, Lagerkosten von 25 Euro/Monat (300 Euro/Jahr). Nur bei Gefährdung der Fruchtbarkeit durch Krankheit kann die Krankenkasse die Kosten übernehmen [2, 7, 8].

 

Kostenübernahme:

Durch die Krankenkasse werden 50% der Behandlungskosten übernommen, wenn die entsprechende Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehören diagnostizierte Fertilitätsstörung, verheiratet, Frau unter 40 Jahre, Mann unter 50 Jahre, etc. Staatliche Förderung wird je nach Bundesland unterschiedlich angeboten, jedoch meist wieder an Bedingungen geknüpft wie z.B.  Ehe, Nutzung eigener Gamten, etc.


Mögliche Lebenswege

In Deutschland sind von allen kinderlosen Frauen und Männern im Alter zwischen 20 und 50 Jahren 25% ungewollt kinderlos [vgl. 9]. Angesichts der Chancen und Risiken einer medizinischen Kinderwunschbehandlung sind die darauf folgenden Lebenswege der betroffenen Paare oder Einzelpersonen vielfältig. Neben der Familie mit eigenem (genetisch verwandtem) Kind entstehen Familien mit Kind aus Eizellen- oder Samenspende. Aber auch Familien mit adoptieren oder Pflege-Kindern, Familien mit unerfüllt bleibendem Kinderwunsch (bis hin zur Trennung eines Paares), Patchwork-Familien, Co-Parenting und Family Sharing sind heute Modelle von Familie, die in ihrer jeweils individuellen Situation Begleitung und Austausch brauchen.


Abbildung: Prozess "Kinderwunsch" (eigene Darstellung)


Fazit

Die Reproduktionsmedizin leistet in unserer Gesellschaft inzwischen einen enormen Beitrag zur Familiengründung vieler. Rund 3 % aller Kinder werden inzwischen mit Hilfe einer sogenannten „künstlichen Befruchtung“ – also einer Befruchtung außerhalb des Mutterleibes – gezeugt (DIR, 2018). Sowohl bei organischen und altersindizierten Fertilitätseinschränken als auch für Paare in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder alleinstehenden Frauen kann eine reproduktionsmedizinische Behandlung helfen, den Kinderwunsch zu erfüllen. Jedoch sind auch die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin kein Garant für ein Kind. Auch hier bleibt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwangerschaft eintritt und eine Lebendgeburt folgt, vom Alter abhängig.

 

Der Zeitpunkt der Familiengründung hängt eng mit dem Erfolg der Realisierung zusammen, weshalb die gesellschaftsdynamischen Entwicklungen in den Blick genommen werden müssen, um weitere Prokrastinationseffekte zu vermeiden.


Quellen

Arndt, S. (2021). Kinderwunschbehandlung: Diese Methoden gibt es.

 

StMAS Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (o.J.). Familienplanung.

 

BMFSFJ (2017). Familienreport: Leistungen, Wirkungen, Trends . Berlin.

 

Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) (2016). Datenreport 2016: Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden.

 

Deutsches IVF-Register e.V. (DIR) (2018). Jahrbuch 2017. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, 15(5-6).

 

Deutsches IVF-Register e.V. (DIR) (2021). Jahrbuch 2020. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, 18(10).

 

Ewert, K. (2021). Das solltest du über künstliche Befruchtungen wissen.

 

Krieft, K. (2022). Ungewollt kinderlos: Woran kann es liegen?

 

KOm_rSF (2024) Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.  Abschlussbericht. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K/Kom-rSF/Abschlussbericht_Kom-rSF.pdf

 

Wippermann, C. (2014). Kinderlose Frauen und Männer: Ungewollte oder gewollte Kinderlosigkeit im Lebenslauf und Nutzung von Unterstützungsangeboten . Berlin.

 

BKiD (2005): „Psychosoziale Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch“ https://www.bkid.de/wp-content/uploads/2018/07/richtlinien.pdf

 

 Weiterführende Literatur:

• Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (Hrsg.) (o.J.b). Unerfüllter Kinderwunsch. Online verfügbar unter https://www.schwanger-in-bayern.de /babywunsch/kinderwunsch/index.php .

 

• Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (Hrsg.) (o.J.a). Familienplanung. Online verfügbar unter https://www.schwanger-in-bayern.de /babywunsch/familienplanung/index.php(abgerufen am 30.03.2022).

 

• Krieft, Katrin (2022). Ungewollt kinderlos: Woran kann es liegen? Online verfügbar unter https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/ungewollt-kinderlos-woran-kann-es-liegen/ (abgerufen am 30.03.2022).

 

• Ewert, Katrin (2022). Das solltest du über künstliche Befruchtungen wissen. Online verfügbar unter https://www.quarks.de/gesundheit/medizin/das-solltest-du-ueber-kuenstliche-befruchtungen-wissen/#:~:text=In%20Deutschland%20kam%201982%20das,Kinder%20auf%20diese%20Weise%20geboren.&text=Im%20Jahr%202019%20sind%2021.588,Befruchtung%20auf%20die%20Welt%20gekommen. (abgerufen am 30.03.2022).

 

BKID

• BMFSFJ (Hrsg.) (2022). Rechtliche Rahmenbedingungen der künstlichen Befruchtung. Online verfügbar unter https://www.informationsportal-kinderwunsch.de/kiwu/behandlung/rechtliche-rahmenbedingungen-der-kuenstlichen-befruchtung--173896 (abgerufen am 04.04.2022).

 

• Arndt, Stephanie (2021). Kinderwunschbehandlung: Diese Methoden gibt es. Online verfügbar unter https://www.apotheken-umschau.de/familie/kinderwunsch/unerfuellter-kinderwunsch/kinderwunschbehandlung-diese-methoden-gibt-es-791499.html (abgerufen am 04.04.2022).